Ottersberg/Wümme (Niedersachsen)

Datei:Ottersberg in VER.svg Die Samtgemeinde Ottersberg wurde durch die Verwaltungs- und Gebietsreform 1972 gegründet; sie besteht aus den Flecken Ottersberg und Flecken Fischerhude sowie Otterstedt, Posthausen und Narthauen - etwa 25 Kilometer östlich der Hansestadt Bremen gelegen (Kartenskizze 'Landkreis Verden', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Eine jüdische Familie, nämlich die des Händlers Alexander Jacob, siedelte sich in den 1770er Jahren erstmals dauerhaft im Flecken Ottersberg an. In den folgenden Jahrzehnten wurden weitere Juden mit zeitlich befristeten Schutzbriefen ausgestattet und erhielten hier Wohn- und Handelsrecht. Um 1815 lebten im Einzugsbereich der späteren Gemeinde Ottersberg sechs jüdische Familien.

Zu den Kultuseinrichtungen der kleinen jüdischen Gemeinschaft - zu ihr zählten neben den Juden aus Ottersberg auch die Familien aus Fischerhude, Grasberg, Lilienthal, Otterstedt und Sottrum - gehörten seit 1818 ein Friedhof (am Brinkfeld - zwischen Otterstedt und Ottersberg gelegen) und eine um 1830 errichtete Synagoge, die etwa 40 Personen Platz bot.

Eine kleine jüdische Schule, an der die Lehrer häufig wechselten, bestand von 1852 bis 1882 (oder 1899); kurzzeitig sollen hier auch christliche Kinder Unterricht erhalten haben.

Die Gemeinde Ottersberg gehörte zum Landrabbinat Stade.

Juden in Ottersberg:

         --- 1817 ..........................  6 jüdische Familien,*    * um Ottersberg

    --- 1842 .......................... 83 Juden,**              ** Synagogengemeinde

    --- 1864 .......................... 39   “  ,***            *** nur Ottersberg

    --- 1873 .......................... 74   “  ,**

    --- 1885 .......................... 55   “  ,**

             .......................... 25   “  ,***

    --- 1905 .......................... 22   “  ,**

    --- 1907 ..........................  7   “  ,***

    --- 1925 ..........................  2 jüdische Familien.

Angaben aus: J. Bohmbach (Bearb.), Ottersberg, in: H. Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch d. jüdischen Gemeinden in Niedersachsen .., Bd. 2, S. 1238

 

Ab den 1870er Jahren war die Zahl der Gemeindeangehörigen stark rückläufig. Zu Beginn des 20.Jahrhunderts lebten nur noch sehr wenige Juden in Ottersberg, sodass man das Synagogengebäude 1902 meistbietend versteigern ließ. 1928 wurde die Gemeinde, die seinerzeit nur noch aus zwei Familien bestand, offiziell der Synagogengemeinde Achim angeschlossen. Nach 1933 wohnten nur noch in Sottrum zwei jüdische Familien.

                          Jüdischer Friedhof in Otterstedt/Ottersberg (links: Aufn. Tom Schlandsky, 2013  -  rechts: Aufn. Keppler, aus: kreiszeitung.de)

Die letzte Bestattung auf dem jüdischen Friedhof fand 1920 statt; 1938 wurde die Begräbnisstätte zerstört. Ende der 1950er Jahre wurden auf dem Areal ca. 25 Grabsteine wieder aufgerichtet. 1999 erfuhr das Gräberfeld eine Schändung; ein Jahr später wurde es wieder hergerichtet.

Um an die Schicksale von Menschen zu erinnern, die Opfer der NS-Gewaltherrschaft geworden sind, wurden 2023 im Flecken Ottersberg insgesamt 14 „Stolpersteine“ verlegt - zumeist für nicht-jüdische Opfer.

 

2024 wurden an zwei Standorten in Sottrum weitere vier messingfarbene Steinquader im Gedenken an die jüdische Familie Moses verlegt.

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verlegt in der Großen Straße (Aufn. Sänger, 2024, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

 

Rotenburg a.d.Wümme - ca. 15 Kilometer östlich von Ottersberg gelegen - besaß bis ins beginnende 20.Jahrhundert eine winzige jüdische Gemeinde. Erste Familien hatten sich nach 1750 hier niedergelassen; eine Synagogengemeinde, die Familien aus dem gesamten Amtsbezirk Rotenburg umfasste, bildete sich im Jahre 1812; 1816 waren dies neun Familien mit ca. 50 Personen. Synagoge und Schule - letztere existierte nur wenige Jahrzehnte -, ebenso ein kleines Friedhofsgelände am Imkersfeld gehörten zu den gemeindlichen Einrichtungen. Bereits in den 1860er Jahren hatte sich das Ende der winzigen Synagogengemeinde abgezeichnet; doch ein Anschluss an die Gemeinde Ottersberg scheiterte am Widerstand zweier Familien. Erst 1933 (!) wurde das Ende der Rotenburger Gemeinde offiziell vollzogen. Die einzige jüdische Familie, die bis in die NS-Zeit in Rotenburg verblieb, war die der Cohns. 1939 verließ sie den Ort; während den Töchtern die Emigration gelang, wurden die Eltern 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Der kleine jüdische Friedhof wurde 1947 wieder hergerichtet. Eine Hinweistafel informiert seit 1991 über die Geschichte des Friedhofs.

Im Jahre 2009 wurde der Grundstein für den Wiederaufbau der „Cohn’schen Scheune“ gelegt; zwar an anderer Stelle errichtet dient das 2010 fertiggestellte Gebäude heute als Gedenkstätte, Ort der Begegnung und kleines jüdisches Museum.

    Cohn-Scheune (Aufn. Manfred Wichmann, 2010, aus: wikipedia.org, CCO)

vgl. dazu:  Rotenburg/Wümme (Niedersachsen)

 

 

 

Weitere Informationen:

Jürgen Bohmbach, Die Juden im alten Regierungsbezirk Stade 1848 - 1945, in: "Stader Jahrbuch", 67/1977, S. 31 – 76

Klaus Peter Schulz, Dokumentation des jüdischen Friedhofs in Rotenburg/Wümme, Kreisheimatmuseum Osterholz 1985

Heidelore Kluge, Wir haben immer gut zusammengelebt! Die Juden in Ottersberg, Bremen 1994

Herbert Schwarzwälder, Juden und Synagogengemeinde in Ottersberg, in: "Heimatkalender für den Landkreis Verden 1995", S. 31 - 64

Jürgen Bohmbach (Bearb.), Ottersberg und Rotenburg/Wümme, in: Herbert Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Wallstein-Verlag, Göttingen 2005, Band 2, S. 1325 – 1328 (Rotenburg/Wümme) und S. 1238 – 1241 (Ottersberg)

Manfred Wichmann (Hrg.), Jüdisches Leben in Rotenburg. Begleitbuch zur Ausstellung in der Cohn-Scheune, Heidenau 2010

Cohn-Scheune – Jüdisches Museum und Kulturwerkstatt, online abrufbar unter: cohn-scheune.de

Marius Merle (Red.), 14 Stolpersteine im Flecken Ottersberg verlegt, in: „Weser.Kurier“ vom 24.10.2023

Lars Köppler (Red.), Stolpersteine verlegt: Gedenken an jüdische Familie Moses in Sottrum, in: „Weser-Kurier“ vom 23.2.2024